Das Unterrichtsgeschehen an einer Schule lebt von Feedback, das nach dem Bildungsforscher John Hattie einen herausgehobenen Einfluss auf den Lernerfolg besitzt. Die Kunst des Feedbacks besteht dabei darin, sowohl Feedback geben als auch entgegennehmen zu können. Es kann von der Lehrkraft an die Lernenden gerichtet sein, aber auch umgekehrt von den Lernenden an die Lehrkraft. Dazu stammt ein Großteil des Feedbacks, das ein Lernender erhält, von seinen Mitlernenden. Ziel sollte es sein, durch Feedback einen Wissenszuwachs und zusätzlichen Kompetenzerwerb zu generieren.
Von: Dr. Jochen Model
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Welchen Nutzen hat Peergrade?
Gerade auf das Feedback zwischen den Lernenden hat die Lehrkraft im regulären Unterrichtsgeschehen kaum Zugriff, da ein kollektives Beobachten nur schwer möglich ist bzw. zu viele Ressourcen kosten würde. An dieser Stelle setzt die App Peergrade an, mithilfe derer sich einfach Produkte von Lernenden aus dem Unterrichtsgeschehen (z. B. als Office-Dokument oder Scan) auf eine Online-Plattform hochladen und dort in einer innovativen Feedbackstruktur bewerten lassen. Generell ist ein Einsatz in den unterschiedlichsten Fachbereichen denkbar. Im Folgenden wird exemplarisch auf den Bereich Mathematik eingegangen.
Wie funktioniert Peergrade?
Zunächst gilt es, sich als Lehrkraft über die Website der App www.peergrade.io zu registrieren. Die kostenlose Basisversion beinhaltet alle wichtigen Eigenschaften. Bei Bedarf ist eine kostenpflichtige Erweiterung um zusätzliche Features möglich. Nachdem man eine Klasse angelegt hat, können sich die Lernenden auf eigenen Rechnern oder anderen geeigneten Endgeräten unter Verwendung des angezeigten Codes über die Website www.peergrade.io/join anmelden. Alternativ ist es auch möglich, Teilnehmer per E-Mail einzuladen.
Abbildung 1: Anmeldung
Bereits zuvor kann von der Lehrkraft die geplante Aufgabenstellung über den Menüpunkt „Assignment“ erstellt werden.
Abbildung 2: Aufgabenstellung
Zusätzlich gibt man ein Kriterienraster vor, welches im weiteren Verlauf zur Bewertung der Ergebnisse der Lernenden dient. Dabei kann auf Vorlagen zurückgegriffen werden.
Abbildung 3: Kriterienraster
Abschließend entscheidet man, ob die Aufgabenstellung live im Unterricht oder als Hausaufgabe bearbeitet werden soll. Je nachdem, welche Variante man wählt, existieren unterschiedliche Optionen in der Bearbeitung. Insbesondere können bei der Variante Hausaufgabe entsprechende Deadlines gesetzt werden.
Abbildung 4: Art der Bearbeitung durch die Lernenden
In der Bearbeitungsphase laden die Lernenden zunächst ihre Ergebnisse hoch. Anschließend geben sie anhand des Kriterienrasters anonym Feedback zu anderen Ergebnissen der Mitlernenden. In der darauffolgenden Runde bewerten sie, inwieweit das selbst erhaltene Feedback nützlich war.
Abbildung 5: Ablauf einer Session in Peergrade (Quelle: Eigene Grafik in Anlehnung an https://thecornerstoneforteachers.com/peergrade)
Aus den gesammelten Aktivitäten wird für jeden Lernenden ein Score zur Qualität seiner Einreichung und der seines abgegebenen Feedbacks gebildet. Der Score für die Einreichung bestimmt sich aus dem erhaltenen Feedback. Der Score für das Feedback hängt zum einen von der erhaltenen Rückmeldung auf das Feedback ab und zum anderen davon, wie nah das Feedback in seiner Bewertung an dem, der anderen Feedbackgebenden lag. In der verwendeten Version war für die Lernenden der eigene Score am Ende einer Session nicht einsehbar. Dies soll jedoch durch ein Update zukünftig möglich sein. Als Lehrkraft erhält man einen kompletten Überblick über die Aktivitäten der Lernenden. Am Ende kann man sich die gesammelten Resultate auch als Excel-Datei ausgeben lassen.
Wie lässt sich Peergrade einsetzen?
Generell bietet Peergrade die Möglichkeit, Kompetenzen im Geben und Verarbeiten von Feedback zu fördern. Bezogen auf den Mathematikunterricht lassen sich daneben weitere fachbezogene und fächerübergreifende Kompetenzen ansprechen. Exemplarisch kann den Lernenden in der App folgende Aufgabenstellung gestellt werden (FOS M11 NT / LB3: Zufallsexperiment und Ereignis):
„Um sich etwas Geld nebenher zu verdienen, geben Sie Juliane, die die Realschule Erlangen (8. Jahrgangsstufe) besucht, Nachhilfe in Mathematik. Als nächstes Thema steht die Einführung der absoluten und relativen Häufigkeit an. Für Juliane ist dies alles noch neu, sie hat aber Spaß an Mathematik und lernt besonders schnell, wenn ihr Sachverhalte grafisch veranschaulicht werden. Zum Einstieg wollen Sie ihr anhand eines einfachen Beispiels den Unterschied zwischen der absoluten und der relativen Häufigkeit eines Ereignisses deutlich machen.“
Dies verlangt von den Lernenden unter anderem, Darstellungen zu verwenden sowie mathematische Sachverhalte in geeigneter Weise zu kommunizieren. Je nach Aufgabenstellung kann aber auch eine Vielzahl anderer Kompetenzen angesprochen werden.
Bewertung in der Praxis
Ein großer Nutzen von Peergrade besteht darin, Einblick in den Feedbackprozess zwischen den Lernenden zu erhalten. Dabei wird durch die Konzeption der App ein hoher Grad an Schüleraktivität gewährleistet. Der Zugriff auf sämtliche Aktivitäten der Lernenden und die übersichtliche Zusammenstellung erleichtern die pädagogische Diagnostik im Vergleich zur herkömmlichen Beobachtung im Unterricht enorm und schaffen die Möglichkeit, im Anschluss ganz gezielt konkrete Defizite durch Förderung anzusprechen. Dadurch, dass alle Lernenden sowohl für die Bearbeitung der Aufgabe als auch für das Feedback direkt einen Score erhalten, steigt deren Motivation sich zu bemühen, was ein zusätzlichen Mehrwert generiert und in dieser Form im herkömmlichen Unterricht kaum umzusetzen ist. Für den Einsatz benötigen sowohl Lehrkraft als auch Lernende geeignete Endgeräte (z. B. Notebook, Tablet, …) mit einer Verbindung zum Internet. Da die Oberfläche aktuell nur in englischer Sprache angeboten wird, sollten zudem ausreichende Fremdsprachenkenntnisse vorliegen.
Fazit
Insgesamt ist Peergrade dadurch, dass die Aufgabenstellung jeweils frei gewählt werden kann, über alle Fachbereiche flexibel einsetzbar. Der Feedbackmechanismus zeigt sich im Praxiseinsatz als äußerst durchdacht. Aufgrund dessen Komplexität sollte für eine Session jedoch ausreichend Zeit eingeplant werden (mind. 60 Minuten). Die kostenlose Basisversion beinhaltet (aktuell) alle zentralen Funktionen. Die Benutzeroberfläche ist zudem äußerst intuitiv und übersichtlich gestaltet, so dass keine längere Einarbeitungszeit notwendig und schnell eine erste Feedback-Session erstellt ist.